Eine Reise, die Leben verändert
Ein grenzüberschreitender Wanderweg durch alle acht Alpenländer: Vor 25 Jahren wurde dieser Traum mit der Via Alpina Wirklichkeit. Vier Menschen aus unterschiedlichen Ländern erzählen, was die Via Alpina für sie bedeutet.
Ich habe schon immer davon geträumt, die Alpen im Sommer zu überqueren – hatte dabei aber eigentlich nicht an die gesamten Alpen gedacht. Es war die Idee meiner Mutter, dass ich die Alpen in ihrer gesamten Länge durchqueren sollte. Für mein letztes grosses Projekt davor bin ich von Norwegen bis Spanien durch ganz Europa gerannt. Meine Mutter sagte scherzhaft, dass ich jetzt über «ein paar Berge» laufen sollte, da ein Grossteil der Europa-Durchquerung flach war. Das klang für mich nach einer ziemlich guten Idee! Die Via Alpina ist für mich in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes. Die Nähe zur Zivilisation, wenn man sie braucht, und die vielen Höhenmeter innerhalb kurzer Zeit. Man kann völlig einsam sein und das beste Bergabenteuer seines Lebens erleben, ohne dass irgendjemand in der Nähe ist, und geniesst am nächsten Tag ein schönes, frisch gebackenes Croissant oder Rösti zum Mittagessen. Jedes Alpenland hat etwas Besonderes zu bieten und die gewaltigen Höhenunterschiede sind weltweit kaum zu übertreffen. Ich hoffe, dass noch viele Menschen die Via Alpina erleben können, in Etappen oder als Ganzes. Vielleicht gibt es dann Medaillen für diejenigen, die die ganze Strecke geschafft haben!
Der Schweizer Dominik Siegrist ist Alpenforscher und Autor des Buchs «Alpenwanderer: Eine dokumentarische Fussreise von Wien nach Nizza».
Mitte der 1990er-Jahre war ich als Vertreter der Schweizer Gewässerschutzorganisation Rheinaubund in der CIPRA aktiv. Damals wünschte sich der scheidende Geschäftsführer Ulf Tödter als Abschiedsgeschenk die Ausschreibung eines Wettbewerbes für innovative Umsetzungsprojekte der Alpenkonvention. Eines der prämierten Projekte war der Vorschlag für einen alpenweiten Weitwanderweg der Französin Nathalie Morelle. Nathalie hatte diese Alpendurchquerung, aus der später die Via Alpina werden sollte, selber zu Fuss unternommen. Zu Beginn war es schwierig, die Via Alpina zu lancieren. Viele Tourismusorte zeigten kein Interesse, einen solchen Weitwanderweg zu unterstützen. Insbesondere war man nicht bereit, auf den bestehenden Routen eine entsprechende Signalisierung anzubringen. Als dann die Kommunikation für die Via Alpina besser in Gang kam und sich immer mehr Wandernde für diesen Weg interessierten, wachten auch die Touristiker:innen auf. Heute ist die Via Alpina in vielen Regionen ein voll integriertes touristisches Angebot. Vielerorts ist das Via-Alpina-Signet neben den offiziellen Wegweisern angebracht. Insofern ist die Via Alpina, die eigentlich «Via CIPRA» heissen müsste, eine Erfolgsgeschichte. Die Via Alpina ist der bekannteste Weitwanderweg durch die gesamten Alpen, besser spricht man von einem Weitwanderwegenetz, das kreuz und quer durch den Alpenbogen geht. Es gibt dazu ein umfassendes Angebot an thematischen Wanderführern. Sie ist nicht einfach ein Tourismusangebot, zur ihr gehört auch eine engagierte Community von bergbegeisterten Menschen, die sich für den Schutz der Alpen einsetzen. Wie werden die Alpen vor dem Hintergrund der Klima- und Biodiversitätskrise, angesichts von grundlegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft aussehen? Wir wissen das heute nicht genau, aber ich wünsche der Via Alpina, dass sie weiterhin einen Beitrag zu leisten vermag für einen lebenswerten und ökologisch intakten Alpenraum.
Ich erinnere mich an die aussergewöhnliche transnationale Zusammenarbeit, die zur Gründung der Via Alpina führte. Sehr wichtig war für mich auch die Einweihung am 21. Juni 2002. Monaco ist für die Via Alpina Ausgangspunkt und Ziel zugleich – das macht sie für die Bürger:innen von Monaco zu etwas Besonderem. Sie steht auch für ein Abenteuer, das Sport, Kultur und Natur kombiniert. Mit ihrer erneuerten roten Route ist und bleibt sie bis heute ein für Wanderbegeisterte leicht zugängliches Bindeglied aller Alpenländer. Mein Wunsch für die nächsten 25 Jahre: Sie soll noch mehr Wandernde anlocken und zugleich die Einzigartigkeit der Alpen bewahren – in einer Zeit, in der der Klimawandel diese empfindlichen Ökosysteme unumkehrbar zu zerstören droht.
Die Italienerin Sophia Niederkofler hat am Projekt «Via Alpina Explorer» teilgenommen und engagiert sich als Freiwillige für den Weitwanderweg.
Im Sommer 2022 war ich Teil des Explorer-Projekts und bin einen Abschnitt der Via Alpina gewandert. Während dieser Zeit habe ich mich intensiv mit der Geschichte und der Idee dieses Weitwanderwegs auseinandergesetzt, der die Alpenländer miteinander verbindet. Dabei wurde mir bewusst, dass die Via Alpina ganz in der Nähe meines Heimatorts in Südtirol verläuft – und doch hatte ich bis zum Aufruf der CIPRA noch nie von ihr gehört. Diese Entdeckung hat meine Neugier geweckt, die Alpen aus einer neuen, grenzüberschreitenden Perspektive zu erleben. Mein Ziel ist es, eine lebendige Gemeinschaft zu fördern, die den Gedanken der Via Alpina weiterträgt – eine Gemeinschaft, die Menschen inspiriert, sich auf den Weg zu machen, die Alpenlandschaften bewusst wahrzunehmen und sich untereinander zu vernetzen. Ich möchte meine Erfahrungen und Entdeckungen entlang der Route teilen, neue Perspektiven kennenlernen und dazu beitragen, dass dieser Weitwanderweg noch mehr Menschen begeistert. Was die Via Alpina meiner Meinung nach besonders macht, ist ihre Flexibilität und die Möglichkeiten, die sie eröffnet, verschiedene Alpenregionen kennenzulernen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu finden, auch mal vom Weg abzuweichen oder Umwege zu machen. Die Via Alpina ist für mich nicht unbedingt ein fixer Weg mit Start und Ziel, sondern die Momente, die dazwischen passieren. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen die Alpen auf eine langsame Art des Reisens erleben. Die Via Alpina kann zu einem Projekt der Nachhaltigkeit und Gemeinschaft werden, das eine Zusammenarbeit von so vielen unterschiedlichen Ländern, Sprachen, Vereinen, Individuen aber auch nicht-menschlichen Akteur:innen und Berglandschaften ermöglicht. Der Weg kann zu einem Symbol werden, wie wir über Grenzen hinweg mit der Landschaft in Beziehung treten und sie für kommende Generationen bewahren.
Stimmen entlang der Via Alpina
Die Podcastreihe «Stimmen entlang der Via Alpina» nimmt dich mit auf eine akustische Reise durch den Alpenraum. Im Fokus stehen nachhaltige Lebensweisen, innovative Ideen und inspirierende Geschichten von Menschen, die die Alpen prägen – von Hütten- und Landwirt:innen bis hin zu Wissenschaftler:innen und Kulturschaffenden. Wer mit dem Podcast im Ohr entlang der Via Alpina wandert – sei es draussen oder gemütlich zuhause – erlebt die Alpen lebendig, aktuell und vielfältig.
Mach mit!
Du willst dich auch einbringen und die Via Alpina unterstützen? Egal ob du mit uns eine Veranstaltung organisieren möchtest, gerne übersetzt, schreibst, Podcasts produzierst oder auf deiner Wanderung ein eigenes Projekt umsetzen willst – melde dich bei uns! www.via-alpina.org