Theory of Change

Die Theorie des Wandels (Theory of Change – ToC) ist eine Methode zur wirkungsorientierten Erreichung von Anliegen. Sie beschreibt Ziele als anzustrebende Veränderungen, und verdeutlicht, wie diese schrittweise erreicht werden können. Die Theorie des Wandels der CIPRA beschreibt jene Veränderungen, die wir in den Alpen und für die Alpen sehen wollen und stellt beispielhaft dar, wie diese Veränderungen erreicht werden können. Anhand dieser Leitlinien und mit Einbezug des aktuellen Wissens soll die CIPRA vorgehen.

Die Theorie des Wandels der CIPRA wurde in 15 Monaten von Dezember 2021 bis Februar 2023 in intensiven virtuellen und persönlichen Treffen entwickelt. Mit der Theorie des Wandels gehen wir unserer Vision entgegen, dass das Leben in den Alpen nachhaltig und erfüllend sein soll – für Menschen, Flora und Fauna. Die Theorie des Wandels der CIPRA entwickelt sich um drei Hauptthemen – Natur, Klima und Mensch – und drei Querschnittsthemen – Kommunikation, Wissen & Fähigkeiten sowie Politik. Alle Themen sind eng miteinander verknüpft.

Für jedes Thema wurden langfristige Ziele definiertDie CIPRA spielt eine Rolle bei der Erreichung dieser Ziele. Wir erreichen sie nicht alleine, sondern nur durch gemeinsame und transdisziplinäre Bemühungen von Einzelpersonen, Gemeinschaften, Zivilgesellschaft, Behörden, Privatwirtschaft, Wissenschaft, Medien und anderen.

Natur: Die Biodiversität in den Alpen gedeiht

Schroffe Felswände, blühende Bergwiesen, summende Insekten: Die alpine Landschaft und ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind vielfältig. Rund 30‘000 Tier- und 13‘000 Pflanzenarten sind in den Alpen heimisch. Gleichzeitig prägt und belastet der Mensch durch Landwirtschaft, Tourismus und Bauten für Siedlungen, Infrastrukturen und die Energiegewinnung die Natur wie nie zuvor. Wachsende oder aussterbende Dörfer und sich ausdehnende Agglomerationen, ein immer engmaschigeres Netz aus Strassen, Eisenbahntrassen und touristischen Erschliessungen, intensiver Ackerbau, nicht mehr standortgemässe Viehwirtschaft und der dramatisch verlaufende Klimawandel bedrohen den Artenreichtum und die Landschaft der Alpen. Mit dem dominanten Einfluss des Menschen auf die Natur ist auch eine grosse Verantwortung verbunden – die Verantwortung gegenüber der Natur und gegenüber zukünftigen Generationen.

Im Kernthema «Natur» engagiert sich die CIPRA für ein ganzheitliches Selbstverständnis des Menschen inmitten der Natur. Die einzigartige biologische Vielfalt des Alpenraums kann langfristig nur noch erhalten werden, wenn die Menschen den natürlichen Kreisläufen in ihrem Denken und Handeln einen gewichtigeren Platz einräumen gegenüber den eigenen, unmittelbaren Bedürfnissen. Mit Projekten und Aktivitäten wie zur Stärkung der Naturvielfalt, Management von Fliessgewässern oder Raumplanung führt CIPRA relevante Akteure zusammen. Sie trägt so dazu bei, Ökosysteme und Beteiligte zu vernetzen und den überlebenswichtigen Erhalt der Biodiversität politisch und auch handfest im Gelände zu verankern.

Klima: Die Alpen werden klimaneutral bis 2050

Die Klimakrise wird im Alpenraum nicht nur etwas mehr Extremwettereignisse wie Trockenperioden, Hochwasser, Stürme und Lawinenwinter hervorbringen. Es drohen grossräumige, grundlegende Klimaveränderungen, die das Leben in den klimatisch unterschiedlich geprägten Alpenregionen einschneidend verändern oder gar das Überleben gefährden können. Die Erreichung der Klimaneutralität in den Alpen ist folglich das Gebot der Stunde, das beharrlich verfolgt und unbedingt erreicht werden muss. Das verlangt politische, wirtschaftliche, soziale und technologische Initiativen, für welche die Unterstützung der Bevölkerung gewonnen werden muss.
Den Klimaschutz umzusetzen bedeutet, mit den natürlichen Ressourcen sehr viel sparsamer umzugehen, weniger Schadstoffe zu produzieren, die Energie-Effizienz in den Mittelpunkt zu stellen und erneuerbare Energien im bereits bebauten Raum zu erzeugen, nicht in der kaum berührten Landschaft. Technische Effizienz und strukturelle Massnahmen alleine genügen nicht. Es gilt suffiziente Lebensstile und Produktionsketten alltäglich zu machen, im Sinne eines ressourcenleichteren, stark entschleunigten Arbeits- und Freizeitlebens. Auch wenn sich dadurch viele Gewohnheiten verändern müssen.

Um dieses Umdenken voranzutreiben, vernetzt und sensibilisiert CIPRA Politik, Verwaltung, Wirtschaft und gestaltet mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft Pilotprojekte und konkrete Massnahmen, um die Alpen bis spätestens 2050 klimaneutral und klimaresilient zu machen.

Mensch: Die Menschen in den Alpen haben ein erfülltes Leben und gehen respektvoll und sorgsam mit ihrer Lebenswelt um

Aktuelle Herausforderungen und Gefährdungen in den Alpen wie Abwanderung, Klimakrise, Verkehrslawinen oder Ressourcenzerstörung lassen sich nicht allein durch technischen Fortschritt lösen, sondern benötigen auch neue Verhaltensweisen und soziale Veränderungen. Die CIPRA stellt sich diesen Herausforderungen aus der Perspektive der Gesellschaft und deren Potenziale. Eigeninitiative, neue Kooperationen und ein Rucksack voller Kompetenzen und Ideen sind gefragt, damit sich soziale, aber auch wirtschaftliche und politische Praktiken schnell wandeln. Im Mittelpunkt steht die Notwendigkeit einer starken, kreislauforientierten Gesellschaft, die respektvoll und sorgsam mit der Natur umgeht und mit vereinten Kräften eine rundum nachhaltige Entwicklung in den Alpen realisiert.

Die CIPRA will Lebensstile und Aktivitäten fördern, die das Überleben der Ökosysteme in den Alpen unterstützen, die klimafreundlich und sozial gerecht sind und die planetaren genauso wie die regionalen Belastungsgrenzen respektieren. Wir sind davon überzeugt, dass mehr Menschen aller Generationen sich ihrer Macht zur Veränderung bewusst werden müssen, damit ein genügsamer Lebensstil tatsächlich erreicht und die Gemeingüter in den Alpen besser geschützt werden.