«Ideal wäre, sie überhaupt nicht zu füttern»
Wer mit Bienen arbeite, lerne ständig dazu, sagt der Imker Klébert Silvestre. Er führt in den französischen Alpen mit der Zucht von Schwarzbienen eine alte Familientradition fort – trotz vieler Herausforderungen.
Herr Silvestre, Sie haben 150 Bienenstöcke. Was fasziniert Sie an der Imkerei?
Vor allem die Freude an der Arbeit mit der Natur. Darüber hinaus verbindet die Bienenzucht intellektuelle und physische Arbeit. Körperlich, weil ich die Bienenstöcke anheben und tragen muss. Aber ich muss auch aufpassen, was ich tue, weil ich mit lebendigen Insekten arbeite. Ich überlege, was zu tun ist, beobachte das Wetter und die Blütezeit. Ich lebe im Rhythmus der Natur, wenn ich mit Bienen arbeite.
Was ist denn das intellektuell Herausfordernde an der Arbeit mit Bienen?
Man muss lernen, wie ein Bienenstock funktioniert. Je nach Jahreszeit und Zustand des Bienenstocks muss ich entscheiden, ob ich eingreife oder nicht – und was genau ich machen will. Es ist auch notwendig, die Krankheiten der Bienen zu kennen, die Entwicklung der Königinnen und der Schwärme. Es gibt viel zu lernen. Wir Menschen arbeiten seit Jahrhunderten mit Bienen und wissen viele Dinge – aber noch nicht alles. Wir machen immer noch Entdeckungen über die Bienenzucht, sie ändert sich ständig. Dieselben Dinge funktionieren von einem Jahr auf das andere nicht mehr, also müssen wir verstehen, warum.
Sie interessieren sich besonders für die Schwarzbiene. Warum?
Weil es eine lokale Honigbienenart ist, die schon meine Grosseltern gezüchtet haben. Wenn wir sie auch für unsere Kinder erhalten könnten, wäre das gut, weil es eine Biene ist, die sich an unsere Umweltbedingungen angepasst hat, die im Vergleich zu anderen Arten naturnäher und robuster ist. Das steht für mich im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung. Die Schwarzbienen sind an unsere Bergregion angepasst. Sie sind in der Lage, im Winter sechs Monate unter dem Schnee zu verbringen – im Gegensatz zu anderen Honigbienenarten, die damit Schwierigkeiten haben würden. In unserer Region hört die Königin Ende September auf, Eier zu legen und beginnt gegen Ende Februar wieder. Fünf Monate lang gibt es keine Blumen und kein Eierlegen. Die Tiere müssen also im Bienenstock bleiben, möglichst wenig Honig verbrauchen, keine zu grossen Völker haben und vor allem im Frühjahr erst nach der Schneeschmelze wieder aktiv werden.
Gibt es sie auch in anderen Regionen?
Die Dunkle Europäische Biene «Apis Mellifera Mellifera» kam ursprünglich in ganz Westeuropa vor. Sie existiert auch in anderen Regionen und Ländern und hat sich dort lokal angepasst. Es gibt zum Beispiel die Schwarzbiene von der Insel Ouessant im Nordwesten Frankreichs. Es ist dieselbe Art, aber doch völlig anders als die Schwarzbiene in Bergregionen. Sie hat sich an die Bretagne und das regnerische Wetter dort angepasst. Aber sie kann beispielsweise nicht mit einem langen Winter umgehen, wie es ihn in Gebirgsregionen gibt.
Sie sagen, die Schwarzbiene ist in Ihrer Region bedroht. Wodurch?
Der Mensch hat fremde Honigbienenarten aus anderen Ländern wie Italien oder Griechenland importiert. Da die Paarung von Bienen während des Flugs stattfindet, werden unsere «schwarzen Damen» immer wieder von diesen fremden Bienenarten befruchtet. Dadurch geht ihre genetische Anpassung an die Umweltbedingungen vor Ort verloren. Eine der Ursachen ist die Kommerzialisierung der Imkerei, die andere, produktivere Honigbienen fördert. Sie versprechen mehr Honig und einfacher handzuhabende Bienenvölker. Deshalb verlieren wir unsere Schwarzbienen. Denken wir zum Beispiel an den Klimawandel: Schwarzbienen haben zwei Eiszeiten überlebt. Es ist also naheliegend, dass sie sich leichter anpassen können als andere Honigbienen. Wenn der Mensch sie lässt, werden sie das auch weiterhin tun. Unsere Eingriffe durchbrechen diesen Anpassungszyklus. Wenn wir sie zum Beispiel füttern, bevorzugen wir damit bestimmte Bienenarten. Schwarzbienen werden auch gefüttert, aber weniger als einige andere Arten. Ideal wäre, sie überhaupt nicht zu füttern. Wir arbeiten daran, sie so naturnah und anpassungsfähig wie möglich zu erhalten.
Wir lesen und hören ständig über das Bienensterben und den Insektenschwund. Was hat das mit uns Menschen zu tun?
Ich kann da nicht so gut mitreden, denn ich lebe in den Bergen in einer Höhe von 1'500 Metern, wo wir weniger Probleme mit Pestiziden und Insektiziden haben. Wir haben auch Umweltverschmutzung und einen Verlust an Biodiversität in den Bergen, aber in einem kleineren Umfang als in der Ebene. Dort kenne ich Kollegen mit wirklich grossen Problemen. Ihre Bienen sterben wegen Pestiziden, Insektiziden und wegen dem Verlust der biologischen Vielfalt, weil es immer mehr Anbauflächen gibt – vor allem Monokulturen – und immer mehr Strassen und Parkplätze.
Sie sind Vizepräsident des europäischen Verbands der Schutz und Forschungsstationen für Schwarzbienen (Fedcan). Was ist das Ziel dieses Vereins?
Ziel unseres 2016 gegründeten Vereins ist es, alle Schutz und Forschungsstationen zu vernetzen, die sich in Frankreich mit Schwarzbienen beschäftigen, und teils auch Stationen in der Schweiz und in Belgien. Wir wollen auch Schutzgebiete für die Schwarzbienen schaffen. In Frankreich gibt es aber noch keine rechtliche Grundlage dafür. Fedcan setzt sich dafür ein, dass Flächen von etwa zehn Quadratkilometern geschützt werden können. Unsere Gemeinde hat zum Beispiel eine Fläche von 22’000 Hektar. Sollte das rechtlich möglich werden, könnte man sie zum Rückzugsgebiet für die Schwarzbiene erklären. Es geht auch darum, Erfahrungen untereinander auszutauschen, Kernzonen und Pufferzonen zu definieren. Und darum, Fragen zu beantworten: Wie viel Fläche braucht es? Und wie viele Bienenstöcke? Wir arbeiten mit Wissenschaftlern des nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung «Centre national de la recherche scientifique» in Paris zusammen. Ihm zufolge muss es in solch einem Rückzugsgebiet zumindest 150 bis 200 Bienenstöcke geben. Wir machen dann genetische Analysen und prüfen, ob es in dieser Population genetische Vielfalt gibt oder nicht.
Als Imker engagieren Sie sich für eine nachhaltige Imkerei. Was können wir darunter verstehen?
Wenn wir von einer nachhaltigen Bienenzucht sprechen, dann meinen wir Bienenstöcke, die mit so wenig menschlichen Eingriffen wie nötig und so naturnah wie möglich leben. Im Prinzip bieten wir ein Dach, einen Platz für die Bienen. Im Gegenzug lassen wir sie in Ruhe und stören sie nicht jede Minute. Zur Brutzeit im Hochsommer hat es in so einem Bienenstock 35 Grad Celsius, rund um die Uhr. Wenn wir eingreifen, kühlt die Brut aus. Nachhaltige Bienenhaltung bedeutet auch, weniger zu ernten und den Bienen genügend Honig zu lassen, damit sie den Winter überleben. Das ist schwierig, weil es auch wirtschaftlichen Druck und Wettbewerb zwischen den Imkern gibt. Wenn ich älteren Imkern sage, dass ich den Bienen Honig übriglasse anstatt sie mit Zucker zu füttern, antworten sie: «Aber das Kilo Honig kostet 15 Euro und das Kilo Zucker 1 Euro.» Also klar ist das schwierig zu verstehen für sie.
Wie behandeln Sie erkrankte Bienenvölker?
Wir haben ein Problem mit der Varroamilbe. Wenn wir die Bienen ihre Arbeit tun lassen, sterben viele von ihnen in den ersten Jahren. Aber dann werden sie Widerstandsfähigkeit entwickeln. Das Ziel ist es also, sie dazu zu bringen, selbstständig zurecht zukommen. Wir setzen ein Minimum an Behandlung ein. Ich bin zum Beispiel ein BioImker, deshalb verwende ich seit über zehn Jahren keine Chemikalien mehr in meinen Bienenstöcken.
Ist nachhaltige Bienenhaltung alpenweit denkbar?
Ja, natürlich! Das kann überall praktiziert werden und wir fördern es auch. Deshalb führen wir Schulungen durch, in denen wir versuchen, den Imkern zu erklären, warum und wie man es macht.
Welchen Beitrag kann die Bienenzucht zum Schutz der Bienenvielfalt im Allgemeinen leisten?
Das ist eine schwierige Frage. Wie bei der Überweidung kann es auch zu viele Bienenstöcke an einem Ort geben. Das schadet dem Wildbienenbestand, zum Beispiel den Hummeln. Das Ziel ist also nicht, überall Bienenstöcke aufzustellen. Damit es Wildbienen geben kann, müssen genügend Plätze von Bienenstöcken freigehalten werden. An einem Ort sollte also nur eine bestimmte Anzahl an Bienenstöcken stehen, aber nicht zu viele. Das vermeidet Überbevölkerung.
Quelle und weitere Informationen: www.cipra.org/szenealpen