Veranstaltungsrückblick
Workshop: Das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" der Alpenkonvention
Nach dreizehn Jahren wurde die Workshopreihe der Rechtsservicestelle Alpenkonvention in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Öffentliches Recht der Universität Salzburg erfolgreich abgeschlossen. Ein neues Kapitel öffnet sich.
Salzburg, 03.05.2023 - Mit der Workshopreihe der Rechtsservicestelle wurde eine Veranstaltung etabliert, die sich jährlich mit einem der acht Durchführungsprotokolle der Alpenkonvention auseinandersetzte. Im Jahr 2015 wurde dann ergänzend die Schriftenreihe zur Alpenkonvention initiiert, die als Tagungsbände zu den Workshops ausgearbeitet und über den Verlag Österreich veröffentlicht wurden. Auf Grundlage des diesjährigen Workshops wird nun Band Nr. 8 ausgearbeitet und im Frühjahr 2024 veröffentlicht.
Der Workshop zum Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege (NSchP) wurde traditionell mit einem Rückblick über die Entstehungsgeschichte des Protokolls vom Delegationsleiter zur Alpenkonvention ,Ewald Galle (BMK), begonnen. Sebastian Krempelmeier von der Universität Salzburg hat am Beispiel des Speicherkraftwerks Kühtai (Tirol) dargestellt, wie bei Konflikten zwischen dem NSchP und innerstaatlichem Recht umzugehen ist. Dabei hat sich herausgestellt, dass ein „Aushebeln“ des NSchP durch nationale Gesetze gewissermaßen möglich ist, wenn auch dies die völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht aufzuheben vermag.
Das Naturschutzrecht ist eine stark durch die Europäische Union geprägte Rechtsmaterie. Welche Deckungsflächen es zwischen Unionsumweltrecht und dem NSchP gibt, hat Miriam Hofer von der Universität Graz präsentiert. Neben der unterschiedlichen Wirkung von Unionsrecht und dem NSchP wurde aufgezeigt, dass die Verpflichtungen aus dem NSchP Abweichungen von Unionsrecht rechtfertigen können und es vom Unionsrecht nicht erfasste Handlungsfelder im NSchP gibt. Eine fachliche Perspektive brachte Lukas Umgeher von REVITAL zur Landschaftsplanung im Sinne des NSchP ein und zeigte mit Beispielen aus verschiedenen Bundesländern, dass die vorhandenen Instrumente im Raumordnungsrecht den Anforderungen iSd NSchP erfüllen. Jedoch ist die Biodiversitätskrise ein Beweis für eine unzureichende Planung, die auf die naturschutzfachlichen Anforderungen in der Landschaft ausreichend Rücksicht nimmt.
Daniel Ennöckl von der BOKU Wien ging ausführlich auf Art 11 NSchP ein und stellte dar, dass diese Bestimmung unterschiedliche Grade der Verbindlichkeit enthalte. Dem Art 11 kann aber ein Bestandsschutz von Schutzgebieten entnommen werden, der jedoch kein absolutes Eingriffsverbot normiert. Bei Verkleinerungen ist aber eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen, die auch aus den Akten hervorgehen muss. Auf die Herausforderungen der rechtlichen Interessenabwägung ist abschließend Christoph Romirer von der Universität Graz eingegangen. Ziel der Interessenabwägung ist der Ausgleich gegenläufiger Interessen, wobei die jeweilige Behörde einen entsprechenden Ermessensspielraum hat und die verschiedenen Interessen oftmals schwer zu vergleichen sind. Es sind die Argumente aber möglichst umfassend und präzise zu erfassen und gegenüberzustellen.
Mit rund 60 Teilnehmer:innen fanden angeregte Diskussionsrunden zu den einzelnen Vorträgen statt. Zahlreiche Fragen nahmen, wie im Vorfeld bereits erwartet, Bezug auf das Thema der Energiewende im Alpenraum. Ein Bereich, in dem Nutzungskonflikte sehr deutlich werden.
Die Rechtsservicestelle Alpenkonvention bei CIPRA Österreich bedankt sich für die zahlreiche Teilnahme und die konstruktiven Diskussionen. 2024 wird die Rechtsservicestelle Alpenkonvention mit einem neuen Veranstaltungsformat zurückkommen.
Die Aufmerksamkeit auf Bodenschutz
CIPRA Österreich und der Fachbereich Öffentliches Recht der Universität Innsbruck haben in Zusammenarbeit mit der Rechtsservicestelle Alpenkonvention zum Workshop geladen.
Am 3. Mai 2022 haben sich über 50 Teilnehmer:innen in Salzburg zusammengefunden, um über die Vorgaben des Protokolls „Bodenschutz“ der Alpenkonvention zu diskutieren. Im Fokus stand die Frage, welche Anforderungen das Bodenschutzprotokoll für den Bodenschutz enthält und wie das Bodenschutzrecht auf nationaler und unionsrechtlicher Ebene ausgestaltet ist.
Das Bodenschutzrecht zeigt sich als relativ junge Rechtsmaterie schwer greifbar und ist auf Grund seines Charakters als Querschnittsmaterie stark zersplittert. Neben einzelnen einschlägigen Landesgesetzen zum Bodenschutz finden sich auch zahlreiche Bestimmungen in anderen Materiengesetzen, wie etwa auch dem UVP-G oder den Naturschutzgesetzen der Bundesländer .Obwohl das Bodenschutzprotokoll im Vergleich zu anderen Protokollen durchaus klare Vorgaben enthält, hielt Univ-Prof. Peter Bußjäger fest, dass nur wenige Bestimmungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit hinreichend bestimmt sind. Die Hauptanwendungsfälle für Bestimmungen des Bodenschutzprotokolls sind Naturschutz-, Forst- und UVP-Verfahren. Dabei zeigt sich, dass insbesondere die Rechtsprechung des VwGH zurückhaltend bei der Auslegung von Art 9 zum Schutz von Feuchtgebieten und Mooren ist, was zu einem entsprechend schwachen Schutz in Genehmigungsverfahren führt. Allgemein zeigte sich, dass die Judikatur sich neben Art 9 oftmals auf Art 14 des Protokolls, zu den Auswirkungen touristischer Infrastruktur bezieht. Die häufigsten genannten Entscheidungen dazu stellen die „Muttereralm“-Entscheidung des Unabhängigen Umweltsenats aus dem Jahr 2004 und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Diabasabbau am Schönagerl“ aus dem Jahr 2006 dar.
Während in der Entscheidung „Muttereralm“ Art 14 des Protokol eindeutig als unmittelbar anwendbar erkannt wurde und damit die Bedeutung für Genehmigungsverfahren erheblich zunahm, wurde mit dem Erkenntnis des VwGH zum Diabasabbau der Schutz von Feuchtgebiete und Moore abgeschwächt. Art 9 normiert somit keinen absoluten Schutz und Eingriffe sind in Ausnahmefällen mit der Alpenkonvention vereinbar. Die Studie des WWF und ÖKÖBÜRO zeigt jedoch, dass diese Genehmigungen nicht zur Ausnahme zählen, sondern zur Regel geworden sind.
Zum Abschluss wurde einhellig festgestellt, dass es eine mutigere Anwendung und Umsetzung des Protokolls bedarf, damit das Potenzial ausgeschöpft werden kann. Nicht zu unterschätzen sei aber auch die Wirkung des Protokolls auf der Planungsebene. Hier könne das Protokoll bereits in der Planung zum Absehen, Zurückziehen oder Anpassungen von Vorhaben führen, ohne das es dazu eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung bedarf. Die Ergebnisse des Workshops werden in einem Tagungsband im Frühjahr 2023, als Band 7 der Schriftenreihe zur Alpenkonvention, über den Verlag Österreich veröffentlich: https://elibrary.verlagoesterreich.at/
Sie suchen nach Entscheidungen zur Alpenkonvention? Dann besuchen Sie die Rechtsdatenbank Alpenkonvention unter www.alpenkonventionsrecht.at
Workshop zum Energieprotokoll der Alpenkonvention
Knapp 60 interessierte TeilnehmerInnen aus verschiedenen Institutionen, wie Ministerien, Landesregierungen, Bezirkshauptmannschaften, Umweltanwaltschaften, NGOs, Rechtsanwaltskanzleien, Energieunternehmen und Bürgerinitiativen nahmen an dieser von Sebastian Schmid (Universität Innsbruck) moderierten Veranstaltung teil und diskutierten auf Basis der Vorträge der ReferentInnen zur Anwendung und Relevanz des Energieprotokolls.
Nach der Begrüßung durch Peter Haßlacher (Vorsitzender von CIPRA Österreich), umriss Ewald Galle (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) die Entwicklung und Geschichte des Energieprotokolls und erläuterte die damaligen Schwierigkeiten bei der Formulierung des Protokolls. Andreas Th. Müller (Universität Innsbruck) warnte eindrücklich davor, das Energieprotokoll vorschnell als nicht anzuwendendes Recht abzustempeln, sondern unterstrich vielmehr die direkte Anwendbarkeit des Energieprotokolls. Theresa Weber (Universität Salzburg) erläuterte in welch vielfältiger Weise das Energieprotokoll in andere Rechtstexte der EU hineinreiche. Gerold Dünser (Landesverwaltungsgericht Tirol) zeigte in seinem Referat mit konkreten Beispielen auf, dass das Energieprotokoll sowohl in Interessenabwägungen als auch in Nebenbestimmungen bei Verfahren einfließe. Christian Baumgartner (Bundesverwaltungsgericht) berichtete über das Verfahren von der geplanten und grenzüberschreitenden 220 kV-Leitung durch den Kronhofgraben im Gemeindegebiet von Kötschach-Mauthen und erläuterte in weiterer Folge die Gründe für die ablehnende Entscheidung. Baumgartner unterstrich damit insbesondere die Relevanz des Energieprotokolls der Alpenkonvention. Für Thomas Neger (Neger/Ulm Rechtsanwälte), der krankheitsbedingt verhindert war, vermittelte Sebastian Schmid die notwendige Berücksichtigung von Puffer-, Schon- und Ruhezonen bei der Errichtung von Energieanlagen.
Das Programm zum Workshop finden Sie hier.
Hinweis
Ende 2016/Anfang 2017 werden dazu erstmals über den Verlag Österreich alle Referate samt Umsetzungsvorgaben zum Energieprotokoll in einer neuen "CIPRA Österreich - Schriftenreihe zur Alpenkonvention" veröffentlicht. Die Publikation soll in weiterer Folge allen mit der Alpenkonvention betrauten Institutionen und Personen eine wichtige Hilfestellung bei der Anwendung sein.