Zuversicht trotz eisfreier Zukunft
Die eisigen Giganten der Alpen schwinden in rasantem Tempo. Ob mit oder ohne Eis – zahlreiche Initiativen und Projekte setzen sich für den Erhalt dieser einzigartigen Naturlandschaften und Lebensräume ein.
Neue Lebensräume erforschen
Das Forschungsprojekt «Ice&Life» sammelte in den französischen Alpen Daten über neu entstehende Lebensräume durch abschmelzende Gletscher und erarbeitete Argumente für deren Schutz. Daran beteiligten sich Forschende aus Frankreich und der Schweiz in Kooperation mit dem WWF. Sie trugen dazu bei, dass die französische Regierung bereits im Jahr 2020 eine Fläche von 32 Quadratkilometern rund um den höchsten Gipfel Europas, dem Mont Blanc, zum Schutzgebiet erklärte.
Klimafreundliches Gesetz
Die Gletscher-Initiative setzte sich dafür ein, die Schweiz auf einen klimafreundlicheren Kurs zu bringen, indem sie die Reduktion von Treibhausgasen und Klimaneutralität bis 2050 forderte. Die Initiative mündete 2023 in ein «Klima- und Innovations- gesetz», das verbindliche Klimaziele setzt und die Abhängigkeit von fos- silen Brennstoffen verringern soll. Diese Massnahme trägt dazu bei, die Lebensgrundlagen in der Schweiz zu sichern und die Gletscherschmelze einzubremsen.
Virtuelle Gletscherwelten
Mit VR-Brille am Gletscher: Das Projekt «Freeze For Future – Gletscherwelten» der Universität Innsbruck bewahrt mithilfe von Virtual-Reality- Brillen die faszinierenden Erlebnisse rund um Gletscher für kommende Generationen, aber auch für Jugend- liche mit Bewegungseinschränkung. Schüler:innen gestalten dabei zusammen mit Expert:innen virtuelle Gletscherwelten. Das Projekt sensibilisiert Jugendliche für den Klimaschutz und inspiriert sie zu nachhaltigem Handeln. Auch Kunst sensibilisiert für den Gletscherschwund: In der atmosphärischen Rauminstallation «Usable Surface» des italienischen Künstlers und Fotografs Walter Niedermayr schreiten Besucher:innen über Fototapeten von Gletscherspalten. Sie erleben die verstörende Schönheit eines schmutzigen, ausgeaperten Gletschers und werden so mit der fragilen Realität der Klimakrise konfrontiert.
Weibliche Expeditionen
Das Programm «Girls* on Ice» bietet Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren die einzigartige Gelegenheit, an einer zehntägigen Gletscherexpedition in Österreich oder der Schweiz teilzunehmen. Unter Anleitung erfahrener Wissenschaftlerinnen und Bergführerinnen erforschen sie die Welt der Gletscher, führen wissenschaftliche Experimente durch und erleben die alpine Natur hautnah. Neben dem Interesse an Naturwissenschaft und Forschung vermittelt das Projekt ein starkes Bewusstsein für die Aus-
wirkungen der Klimakrise. Es stärkt zudem das Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen und zeigt neue Wege auf, Wissenschaft und Umweltschutz aktiv mitzugestalten.
Starke Stimmen für Ausbaugrenzen
Einen Ausbaustopp für Skigebiete auf Gletschern: Das fordern Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol gemeinsam mit Umweltorganisationen. Sie kritisieren das Tiroler Seilbahnprogramm, weil es keine klaren Endaus baugrenzen für Skigebiete zieht. Ein Zusammenschluss der Gletscherskigebiete im Pitztal und Kaunertal konnte zwar verhindert werden, neue Lifte und Pisten sind dennoch geplant. Ähnlich ist die Situation am Girose-Gletscher oberhalb des französischen Skiorts La Grave, den eine zusätzliche Seilbahn erschliessen soll. Acht zehn Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen haben dazu ein Buch veröffentlicht – es verdeutlicht die negativen sozialen und öko- logischen Auswirkungen eines solchen Ausbaus auf La Grave und der Gletscher angesichts der Klimakrise.
Elektrizität statt Eis?
Manche der durch die Klimakrise neu entstehenden Gletschervorfelder und alpinen Schwemmebenen in der Schweiz sind besonders interessant für den Bau neuer Speicherseen, andernorts sollen hochalpine Moorlandschaften für die Energieproduktion geopfert werden, wie in Österreich. Dabei gibt es heute andere technische Möglichkeiten der Energiespeicherung, die auch ausserhalb des Alpenraumes eingesetzt werden können. Um die letzten verbliebenen Bäche und Flüsse vor dem Totalausbau der Wasserkraft zu bewahren, haben die Vertragsstaaten der Alpenkonvention bereits 2020 eine gemeinsame Erklärung zum Schutz der letzten, unberührten Flussabschnitte abgegeben. Zudem hat die CIPRA im Frühling 2023 Beschwerde beim Überprüfungsausschuss der Alpenkonvention eingereicht. Darin verlangt sie die eingehende Untersuchung der Frage, ob die Beschleunigungsgesetze zur Stromproduktion in der Schweiz und der EU verschiedene Protokolle der Alpenkonvention verletzen. Das Prüfergebnis liegt Mitte 2025 vor.