Standpunkt: Wir müssen wieder lernen, zuzuhören

Intakte Berglandschaft oder Energiewende, Klimaschutz oder neue Strassen und Tunnels, gesunder Boden oder neue Wohnungen: Verhärten sich die Fronten, wird es schwierig, Kompromisse zu finden. Gerade jetzt brauchen wir eine Kultur des Zuhörens, meint Janin Salzger, Projektmitarbeiterin der CIPRA.

Ob Klimaschutz, Landnutzung oder Mobilität – viele gesellschaftspolitische Diskussionen im Alpenraum sind festgefahren. Lösungen zu finden scheint oft schwierig, häufig verhärten sich die Fronten immer weiter. Doch gerade in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung braucht es eine Kultur des Zuhörens. Nicht die lautesten Argumente, sondern das aufmerksame Wahrnehmen unterschiedlicher Perspektiven kann Konflikte entschärfen und tragfähige Lösungen hervorbringen. Wir müssen lernen, einander zuzuhören – sonst vertiefen wir die Spaltung der Gesellschaft, anstatt sie zu überwinden.

Zuhören schafft Dialogräume. Gehört und Verstanden zu werden sind zentrale Grundbedürfnisse. Fühlen sich Menschen nicht wahrgenommen, so eskalieren Konflikte oft. Gerade in sozialen Netzwerken empören sich viele Menschen lautstark – aber wirklich gehört werden sie dadurch nicht. Es entstehen keine Dialoge, kein gegenseitiges Verständnis. Ein strukturierter Zuhörprozess kann Dialogräume schaffen und das gegenseitige Verständnis vertiefen.

Zuhören fördert nachhaltige Entscheidungen. In den Alpen treffen Umweltschutzanliegen oft auf wirtschaftliche Interessen. Wer Argumente nicht nur abwehrt, sondern sie wirklich aufnimmt und reflektiert, kann nachhaltigere, breiter akzeptierte Kompromisse entwickeln. So können Lösungen gefunden werden, die langfristig stabil sind.

Zuhören ist ein erlernbares Handwerk. Bewusste Kommunikation kann geübt werden. Methoden wie das kollektive Zuhören helfen, Missverständnisse zu reduzieren und konstruktive Gespräche zu fördern. Gerade im Alpenraum mit seinen vielfältigen Interessen ist dies entscheidend.

Die Polarisierung in gesellschaftlichen Debatten ist kein Naturgesetz. Wenn wir es schaffen, gut miteinander im Dialog zu sein, können wir auch kontroverse Themen gemeinsam lösen. Dazu braucht es Strukturen und Formate, die es ermöglichen, einander wirklich wahrzunehmen. Projekte wie LISTEN bieten dafür wertvolle Werkzeuge. Die Verantwortung liegt bei uns allen: Wer Konflikte lösen will, muss bereit sein, auch konträren Standpunkten zuzuhören. Nur so können wir bei Themen wie Klimaschutz, Landnutzung oder Mobilität im Alpenraum eine inklusive und nachhaltige Zukunft gestalten. Deshalb sollten wir das Gespräch suchen und einander wirklich zuhören. Diese Anstrengung lohnt sich – für alle Beteiligten.

 

Projekt LISTEN:
https://reworlding.eu/projects/listen
www.cipra.org/de/listen

Buchtipp:
www.limbusverlag.at/index.php/einladung-zur-anstrengung

Podcast: « Beteiligung beginnt beim Zuhören - mit Janin Salzger und Wolfgang Pfefferkorn»

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