Steine ins Rollen bringen
Steinhaufen gehörten über Jahrhunderte zum bäuerlich geprägten Landschaftsbild der Alpen. Durch das Pflügen zutage beförderte Steine wurden gesammelt und auf den so genannten Lesesteinhaufen bzw. -mauern am Feldrand getürmt. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft verschwinden sie zusehends aus der Kulturlandschaft. Dabei sind sie wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Hier setzte das Projekt SteinReich an.
In sieben Pilotregionen legten zwischen Frühjahr 2023 und Herbst 2024 Menschen unter Anleitung Stein-Elemente an. Etwa in Belluno/IT, wo Trockensteinmauern schon immer weit verbreitet waren. «Wir müssen diese als Symbol einer ländlichen Architektur aufwerten und erhalten, denn sie stehen auch für unsere regionale Identität und Kultur», erklärt Stadtrat Paolo Luciani die Teilnahme am Projekt. Mit kulturellem Erbe beschäftigt sich auch das Ökomuseum in Gemona im Friaul, wo zwei Dutzend Personen in zweiwöchigen Workshops zum Bau von Trockensteinmauern angeleitet wurden. Dem Ökomuseum ist es sehr wichtig, das Wissen um dieses traditionelle Handwerk zu erhalten.
Inspiration zum Nachahmen
Der CIPRA ist es als alpenweite Organisation wiederum wichtig, Leute zu vernetzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Ecomuseo LisAganis, einer weiteren Pilotregion. «Das Projekt hat es uns ermöglicht, unser Interesse an Trockenmauern auf eine überregionale Ebene auszudehnen», erklärt Projektleiter Lorenzo Protti. So organisierten sie Vorträge eine Exkursion in die slowenische Pilotregion Bohinj, wo im Rahmen von SteinReich ebenfalls eine Trockensteinmauer entstand.
Im Naturerlebniszentrum Allgäu/DE entstanden im Herbst 2023 auf 600 Quadratmetern entsiegelter Fläche nicht nur Trockenmauern, sondern auch Totholz-Elemente und ein Sandarium. «Die Reaktionen der Besucher:innen sind zu 90 Prozent sehr positiv. Die sind begeistert, sehen die Vielfalt und das Leben», erzählt Geschäftsleiter Andreas Güthler. «Die verbleibenden 10 Prozent bedürfen noch etwas Überzeugungsarbeit. Für die ist Ordnung wichtiger als Vielfalt, aber umso wichtiger ist, dass genau solche Flächen angelegt werden, die zeigen, was da entstehen kann. Das inspiriert die Menschen vielleicht dazu, selber aktiv zu werden.»
«Jede und jeder kann zuhause verschiedene Biotope schaffen. Je mehr, desto besser – und je vielfältiger, desto besser!», weiss Landschaftsgärtnerin Caroline Büsel vom Netzwerk Hortus Biodiversitas in Götzis/A, wo sie gemeinsam mit einer Schulklasse 12 Tonnen Steine aufeinanderschichtete. «Dieser Lesesteinhaufen steht nicht für sich allein da. Er ist auch ein wichtiger Trittstein für Tiere, die auf Wanderschaft sind und von einem Ort zum anderen ziehen und Schutz finden», so Caroline Büsel.
Interviews mit Vertreter:innen der Pilotregionen und Hintergrundinfos zum Projekt SteinReich, das von den Stiftungen Carline, Binding und Valüna finanziert wurde, gibt es im CIPRA Podcast nachzuhören. Einen anderen Zugang – nämlich einen künstlerischen – fanden ausserdem die Teilnehmenden des Kunstworkshops der Kunstschule Liechtenstein. Die entstandenen Zeichnungen, Aquarelle und Monotypien eröffnen einen ganz besonderen Blick auf die steinernen Lebensräume und sind als Postkarten in der Netzwerkstatt Alpen in Schaan erhältlich.
Rückfragen sind zu richten an:
Caroline Begle, Leiterin Kommunikation, caroline.begle@cipra.org