«Wir müssen vermeiden, verlagern und verbessern»Verkehr darf sich nicht nur an wirtschaftlichen Interessen orientieren. Wie sich die CIPRA-Vertretungen 2024 gemeinsam für nachhaltigere Mobilität in den Alpen eingesetzt haben, erklärt CIPRA Österreich-Geschäftsführer Paul Kuncio im Interview.https://76f4797.online-server.cloud/Plone/de/jahresbericht-2024/wir-muessen-vermeiden-verlagern-und-verbessernhttps://76f4797.online-server.cloud/Plone/@@site-logo/cipra_logo_de.svg
«Wir müssen vermeiden, verlagern und verbessern»
26.03.2025
Verkehr darf sich nicht nur an wirtschaftlichen Interessen orientieren. Wie sich die CIPRA-Vertretungen 2024 gemeinsam für nachhaltigere Mobilität in den Alpen eingesetzt haben, erklärt CIPRA Österreich-Geschäftsführer Paul Kuncio im Interview.
Paul Kuncio, Geschäftsführer CIPRA Österreich
Italien klagt am Europäischen Gerichtshof gegen die österreichischen Lastwagen-Fahrverbote auf der Brennerautobahn. Die CIPRA-Vertretungen aller Alpenländer haben sich auf die Seite von Österreich gestellt. Was kritisieren sie an der Klage?
Diese Klage Italiens gegen Österreich ist meines Erachtens ein Symptom für das Versagen von grenzüberschreitender Zusammenarbeit in der Verkehrspolitik. Es wäre zu vermeiden gewesen. Wir kritisieren an der Klage, dass hier Wirtschaftsinteressen über die Gesundheit der Menschen und der Umwelt gestellt werden. Das Hauptargument Italiens ist ja, dass die auf EU-Recht basierende Freiheit des Warenverkehrs verletzt wird.
Wie haben die anderen CIPRA Vertretungen CIPRA Österreich unterstützt?
Der Brennerpass hat als meistbefahrener Alpenpass eine Symbolwirkung. Es gibt aber natürlich viele weitere wichtige Alpentransitrouten. Wir haben gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit betrieben und die Argumente der österreichischen Bundesregierung unterstützt. Als Lösungsansatz wurde ein Slot-System ins Spiel gebracht, das wir schon lange fordern, um den Verkehr besser zu verteilen und vor allem den Druck auf Natur und Mensch zu reduzieren.
Nicht nur die Transportlobby setzt die Alpen unter Druck, sondern auch der Autoverkehr. In einer gemeinsamen Position macht sich die CIPRA für nachhaltige Mobilität in den Alpen stark. Was sind ihre wichtigsten Forderungen?
Am Brenner reden wir von 2,5 Millionen Lastwagen jährlich. Im gleichen Zeitraum fahren dort knapp 12 Millionen Autos. Es geht also auch um Pendler- und Urlaubsverkehr. Eine unserer wesentlichsten Forderungen ist eine nachhaltige, nutzerfreundliche Raumplanung auf allen Ebenen: International, national, regional. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass umweltfreundlicher Verkehr grenzüberschreitend möglich wird. Dazu müssen die Bevölkerung und ihre Bedürfnisse bei der Planung mit einbezogen werden. Wir brauchen Anreize, das Auto öfter stehen zu lassen. Wir müssen vermeiden, verlagern und verbessern.
Wer war neben den CIPRA-Vertretungen an der Erarbeitung der Position beteiligt?
Wir haben mit Verkehrsunternehmen gesprochen, mit der Forschung, der Verwaltung und mit der Zivilgesellschaft. Das hat uns dabei geholfen, unsere Positionen und Lösungsansätze auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Wir haben diese Vernetzungs-Plattformtreffen über unser österreichisches Alpenkonventionsbüro durchgeführt.
Welches Ziel verfolgt die CIPRA mit dieser Position?
Wir müssen beim Thema Verkehr und Mobilität mit einer gemeinsamen, starken Stimme sprechen. Unser übergeordnetes Ziel ist es, eine umweltschonende Mobilität unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Menschen im Alpenraum zu fördern, gleichzeitig aber auch die negativen Auswirkungen des Verkehrs so gut wie möglich zu reduzieren.
Was sind hier die konkreten Vorschläge, um die Mobilität im Alpenraum nachhaltiger zu gestalten?
Es braucht Anreize, um das Auto stehen zu lassen und auf ÖV oder auf das Fahrrad umzusteigen und keine neuen alpenquerenden Strassenverbindungen, wie es das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention verbietet. Das kann auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden, etwa mit einem besseren Ticketsystem oder autofreien Urlaubsangeboten. Im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es hier grossen Handlungsbedarf. Unternehmen könnten mit dezentralen Coworking Spaces Anreize schaffen. Wir müssen aber auch über unbeliebte Massnahmen sprechen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen oder autofreie Zonen. Man könnte beim Bau neuer Verkehrsflächen gleichzeitig auch neuen Grünraum schaffen. Es ist wie mit der Einführung eines Rauchverbots im Restaurant: Anfangs gibt es riesigen Widerstand, später ist es kein Thema mehr.