«Wir fordern Transparenz»

Die Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina/I stehen in der Kritik. Wie die CIPRA 2024 mehr Offenheit und eine breitere Debatte forderte, erzählt Vanda Bonardo, Präsidentin von CIPRA Italien, im Interview.

Vanda Bonardo, Präsidentin CIPRA Italien
Diese Olympischen Winterspiele in Italien sollten kostenneutral, nachhaltig und transparent sein. Wie bewertet die CIPRA die bisherige Umsetzung dieser Ziele?

Ursprünglich waren Ausgaben in Höhe von 343 Millionen Euro geplant, dann wurde auf 1 Milliarde erhöht, derzeit belaufen sich die Kosten auf rund 5 Milliarden Euro. Es hiess, die Spiele würden die nachhaltigsten aller Zeiten. Geplant war zum Beispiel, die Bobbahn der letzten Olympischen Spiele 2006 wieder instand zu setzen. Doch alle wussten, dass von der alten Anlage kaum mehr als Ruinen übrig waren. Es folgten Abriss und Neubau. Selbst das Internationale Olympische Komitee (IOC) war dagegen, doch letztlich setzten sich die Interessen der Lobbygruppen durch. Ich könnte auch über die übertriebenen Erweiterungen der Skipisten, neue Becken für künstliche Beschneiung oder den Bau von zusätzlichen Strassen sprechen. Die neuen Seilbahnen des Skikarussells in den Dolomiten sollen sogar durch das Natura-2000-Umweltschutzgebiet führen.

Was fordert die CIPRA, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren?

Wir fordern Transparenz, und dass die nächsten Olympischen Spiele tatsächlich nachhaltig sind und nicht nur auf dem Papier. Es gilt bestehende Anlagen zu nutzen, und dann verteilen wir die Spiele vielleicht nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Sie dürfen kein Symbol für Verschwendung mehr sein, sondern Ausdruck von Verantwortung und Mässigung. Es braucht mehr Bescheidenheit in der Planung, Verwaltung und Durchführung. Cortina entwickelt sich zum Beispiel zunehmend zu einem exklusiven Ziel für Reiche, zum Nachteil der lokalen Bevölkerung. Auch die sozialen und ökologischen Folgen sind zu beachten: zum Erhalt der Gemeinden und zum Schutz einer möglichst intakten Umwelt.

Welche Massnahmen hat die CIPRA ergriffen, um die Debatte über die Olympischen Spiele zu beeinflussen?

Als CIPRA Italien haben wir anfangs stets den Dialog gesucht und nahmen an dem Runden Tisch der Fondazione Milano Cortina teil. Aber jedes Mal, wenn wir um Informationen baten, erhielten wir andere Antworten. Deshalb haben wir entschieden, uns aus diesen Gesprächen zurückzuziehen. Gleichzeitig verlangen wir, dass sich solche Situationen in Zukunft nicht wiederholen. Das Mindeste und eigentlich Selbstverständlichste ist Transparenz bei der Weitergabe von Informationen und in öffentlichen Diskussionen. Dies forderten wir auch später gemeinsam mit dem Vereinigung Libera. Zusammen mit rund zwanzig weiteren Organisationen haben wir das Projekt «Open Olympic» ins Leben gerufen. Unser Ziel ist, ein öffentliches Portal zu schaffen, das alle relevanten Daten und Projekte rund um die Olympischen Spiele bündelt. So können alle Bürger:innen auf die Informationen zugreifen und sich selbst ein Bild machen.

Die nächsten Winterspiele finden 2030 in den französischen Alpen statt. Was sollten die NGOs in Frankreich Ihrer Meinung nach berücksichtigen?

Zunächst sollten wir unsere bisherigen Erfahrungen nutzen und bereits jetzt klare Fragen zur Transparenz stellen. Wir müssen verlangen, dass unsere Anliegen ernst genommen werden. Es sollte selbstverständlich sein, dass es keine neuen Bauwerke gibt, wenn bereits bestehende Strukturen vorhanden sind. Ich hoffe, dass die Geschichte Italiens – von Turin 2006 bis heute – uns lehrt, wie wichtig es ist, von Anfang an bestimmte Forderungen zu stellen. Diese müssen so schnell wie möglich formuliert werden, bevor wir uns plötzlich kurz vor den Olympischen Spielen wiederfinden, wenn es zu spät ist. Denn dann geht es oft nur noch darum, die Show am Laufen zu halten und so zu tun, als wäre nichts passiert.

Interview: Marta Grena