«Keine Energieanlagen in die letzten unberührten Räume»Der Ausbau erneuerbarer Energien in den Alpen muss den Naturschutz wahren – dafür trat die CIPRA 2024 politisch ein. Wie die Alpenkonvention dabei an Stärke gewann, erklärt Kaspar Schuler, Geschäftsführer von CIPRA International.https://76f4797.online-server.cloud/Plone/de/jahresbericht-2024/keine-energieanlagen-in-die-letzten-unberuehrten-raeumehttps://76f4797.online-server.cloud/Plone/@@site-logo/cipra_logo_de.svg
«Keine Energieanlagen in die letzten unberührten Räume»
22.03.2025
Der Ausbau erneuerbarer Energien in den Alpen muss den Naturschutz wahren – dafür trat die CIPRA 2024 politisch ein. Wie die Alpenkonvention dabei an Stärke gewann, erklärt Kaspar Schuler, Geschäftsführer von CIPRA International.
Kaspar Schuler, Geschäftsführer CIPRA International
Die EU hat eine Notverordnung und eine Richtlinie veröffentlicht, die den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen beschleunigt. Was bedeutet das für die Alpen?
Die Alpen geraten zusätzlich unter Druck, obwohl sie bereits sehr viel zur Energieproduktion, im Speziellen zur Wasserkraft, beitragen. Im Tal oder auf dem Berg sollen weitere Energie-Produktionsanlagen hinzukommen. Es geht vornehmlich darum, grossflächige Solaranlagen und Windturbinen aufzustellen.
Widerspricht das nicht der Alpenkonvention?
Das ist die grosse Frage, welche die CIPRA der EU und den Vertragsstaaten der Alpenkonvention gestellt hat. Wir sind der Meinung, dass das Alpenkonventionsrecht über dieser Notverordnung zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien bzw. der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie steht.
Welche Schritte hat die CIPRA unternommen, um dagegen vorzugehen?
Die Alpenkonvention hat ein explizit für solche Streitfälle vorgesehenes Gremium geschaffen: den Überprüfungsausschuss. Bei diesem haben wir die Überprüfung dieser potenziellen Widersprüche angefordert. Das war im Frühjahr 2023 und dauert bis heute an.
Wie hat die EU darauf reagiert?
Die EU hat in einem Brief im Juni 2024 geantwortet, dass sie der CIPRA grundsätzlich Recht gibt. Die auch von der EU ratifizierten Alpenkonventionsprotokolle sind höher gewichtet als eine Notverordnung oder eine Direktive, weil Völkerrechtsverträge über dem Umsetzungsrecht der EU stehen. Das wurde in dieser Klarheit erstmals festgestellt und ist extrem wichtig für den Wert und die Wertschätzung der Alpenkonvention. Die EU hat den Ball jetzt den unterzeichnenden Ländern der Alpenkonvention zugespielt. Diese müssen überlegen, wie sie eine beschleunigte Energieproduktion mit der Alpenkonvention konform umsetzen.
Was heisst das für den Ausbau erneuerbarer Energien?
Die Alpenstaaten müssen genau festlegen, wo sie Vorzugsgebiete für erneuerbare Energieproduktion ausweisen, um Naturschutzeingriffe zu minimieren. Zudem sind gegebenenfalls neben oberflächlicheren strategischen Umweltprüfungen auch fallbezogene Umweltverträglichkeitsprüfungen erforderlich, um die ökologischen Auswirkungen präzise zu bewerten. Die Bundesländer müssen abwägen, ob sie in bestimmten Gebieten innerhalb der Alpenkonvention auf Energieanlagen besser verzichten – ein Ansatz, den beispielsweise das Bundesland Oberösterreich verfolgt.
Der Ausbau erneuerbarer Energien bleibt wichtig. Wie könnte dies im Einklang mit der Alpenkonvention geschehen?
Die Alpen sind ein sehr stark genutzter Raum, ihr ökologischer Wert und ihre Schönheit sind bereits massiv beeinträchtigt. Für die Energieproduktion lautet das wichtigste Gebot, keine Energieanlagen in die letzten unberührten Räume zu bauen. Stattdessen sollten zusätzliche Wasserkraftwerke, Solaranlagen oder Windturbinen in bereits genutzten Bereichen entstehen – etwa in Siedlungsräumen, entlang bestehender Strassen, Skilifte oder auf und neben Gewerbebauten.